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Depressionen 


Wir alle kennen den Begriff „Depression“. Oft verwendet, in aller Munde, jeder hat etwas darüber zu sagen und doch weiss niemand so wirklich Bescheid. Betroffene sind nicht selten konfrontiert mit Aussagen wie „Reiss dich zusammen. Du musst einfach mehr an die frische Luft gehn. Nimm dir das nicht so zu Herzen. Das wird schon wieder, der Nachbar eines Freundes hatte auch mal mit Depressionen zu tun“. Doch was bedeutet es nun „depressiv zu sein“? 


Ich will gerne vorweg ein paar Sätze zu der Unterscheidung „mit Krankheitswert“ und „ohne Krankheitswert“ schreiben. Menschen, die eine schwierige Phase durchlebt haben, die vielleicht einen Verlust erlebt, eine Trennung hinter sich haben, fühlen sich oft ausgelaugt, niedergeschlagen, müde und traurig. All das sind erst einmal Reaktionen, die keinen Krankheitswert aufweisen, sprich, sie sind nicht klinisch relevant, sie sind kein Ausdruck einer Krankheit. Man würde hier von einer situativen Belastungsreatkion sprechen, also von „normalem“ menschlichen Umgang mit verschiedensten Formen von Stress. Klingen solche Phasen jedoch nicht ab oder verstärken sich gar, werden möglicherweise von schwerer Müdigkeit und dem Verlust von Antrieb und Aktivität begleitet, kommen Gedanken über die eigene Wertlosigkeit und das Unvermögen Freude zu empfinden, um nur ein paar Beispiele zu benennen, hinzu, so könnte man von einer Depression sprechen, also von manifesten Symptomen die auf einen Krankheitswert, in dem Fall die Diagnose Depression, hindeuten. 


Die aktuelle Zeit ist eine sehr aufwühlende, mit vielen Unsicherheiten, eine Ängste schürende Zeit. Menschen brauchen Kohärenz. Ist eine Situation oder ein Erleben plötzlich nicht mehr vorhersehbar, sinnhaft oder beherrschbar, so gerät das Leben nicht selten aus den Fugen. Oft gelingt es Menschen ihr eigenes Kohärenzgefühl wieder herzustellen, oft jedoch auch nicht. Dies geht dann nicht selten mit dem Erleben von Ausgeliefertsein, von Hilflosigkeit und Perspektivlosigkeit einher. Ein Zustand, auf den die Psyche reagiert und der mitunter in einer Depression gipfeln kann. Ich bin der Überzeugung, Menschen tragen in aller Regel alles in sich, was sie benötigen, um einen guten Umgang zu finden. Manchmal sind die Zugänge zu diesen eigenen Ressourcen jedoch verschüttet. Beratung und Therapie können helfen, diese wiederzufinden. 

Verlust 


Jeder von uns hat sofort diverse Assoziationen im Kopf, wenn das Wort „Verlust“ aufkommt. Wir denken an Trauer, an Trennung, an unangenehme Gefühle und Situationen, an Belastung. Klient*innen fragen mich oft, was sie tun können, damit dieses schwere, traurige Gefühl nachlässt. Meine Antwort darauf, aushalten. Dies klingt vielleicht auf Anhieb eindimensional und gewiss nicht nach dem, was Menschen in diesen Momenten hören möchten, doch so einfach und so komplex zugleich ist dieser „Rat“. 


In der therapeutischen Arbeit ist es wichtig Verlusten den notwendigen Raum zu geben. 

Die Anspannung und der Schmerz nach Verlusten sind ohnehin gross, hinzu kommt der Druck aus der Situation entkommen zu wollen. Ein Druck, der diese nicht selten verstärkt. Es ist in Ordnung wütend zu sein, es ist in Ordnung traurig zu sein, auch ist es in Ordnung verzweifelt zu sein. All das gehört dazu, wenn ein lieber Mensch von uns geht, wenn eine Beziehung ein Ende nimmt, ein Arbeitsplatz gekündigt wird oder wir von eigener Krankheit oder der von Angehörigen erfahren. Wir können versuchen zu verdrängen, uns zu verkriechen, wegzurennen. Vermutlich wird dieses Verhalten das Leid eher fördern, als lindern. Wir können aber auch lernen zu akzeptieren, dass durch den Verlust die Realität nun eine Andere ist. Wenn man etwas verliert, kann man auch etwas wiederfinden. Nicht Wiederfinden im Sinne von Ersetzen, doch vielleicht Wiederfinden im Sinne von Neu entdecken, im Sinne von Chancen ergreifen, im Sinne eines Zugewinns. 


Therapeutische Begleitung kann helfen, die verschiedenen Phasen im Umgang mit Verlusten zu begleiten, sie kann beim Sortieren helfen, beim Neuordnen und Zurechtfinden. Sie kann Raum zum Verweilen, Begleiter der Veränderung und Hoffnungsgeber zugleich sein. 

Der Glaube in therapeutischen und beraterischen Settings 


Der Glaube versetzt bekanntlich Berge. Der Mensch glaubt an allerlei Religiöses, Mysthisches, Übergeordnetes, Transzendentales. Wir als Therapeut*innen und Berater*innen glauben an erkenntnistheoretische Hintergründe, an die grossen Namen unserer Riege, an wissenschaftlich fundierte Fakten. Nimmt man all diesen Glauben zusammen, stehen wir mit geballter fachlicher, menschlicher, sozialer und ethischer Expertise vor unseren Klient*innen und sind bereit zu „helfen“. Doch was hilft nun Menschen, die sich in Ausnahmezuständen befinden? Was hilft Menschen, die den eigenen Halt in ihrem Leben verloren haben? Was hilft, wenn plötzlich keine Richtung mehr erkennbar ist und die Welt vom Hell ins Dunkel kippt? 


Eine fachlich fundierte Ausbildung ist ganz klar eine unabdingbare Grösse. Doch was komplettiert die Fachlichkeit? In meiner langjährigen Erfahrung in beraterischen und therapeutischen Kontexten, ist es für mich der Glaube, der Menschen wachsen lässt. Nach einer langen Zeit der therapeutischen Begleitung einer jungen Klientin mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung, stand irgendwann die Frage im Raum, was ihr in all den Jahren am meisten geholfen habe. Die Antwort liess erstaunlicherweise nicht all zu lange auf sich warten. Der Glaube. Mein Glaube, dass sie ihren Weg finden wird, dass sie alles hat was sie benötigt, um einen für sich guten Umgang mit dem zu finden, was ihr widerfahren ist. Diese Zuversicht meinerseits, hat sie all die Jahre über begleitet. Egal wie tief sie gerade gefallen war, wie dunkel und aussichtslos alles manchmal gewesen ist, meinen Glauben konnte sie spüren. Bei all den vielen Hilfeangeboten war es mitunter das, was sie als hilfreichste Grösse für sich und ihren Weg benennen konnte. 


Solche Erfahrungen zeigen uns, wie wichtig es ist, seine eigene Haltung klar zu haben, zu reflektieren und zu hinterfragen. Dabei ist es gleich in welcher Fachrichtung man seinen Heimathafen gefunden hat. Der Glaube daran, dass Menschen sich verändern können, dass Menschen sich entwickeln können und dass sie im Grunde alles was sie für ein gutes Leben benötigen, in sich tragen, sollte unerschütterlich sein. Denn ist er es in uns als Therapeut*innen und Berater*innen nicht, so tragen wir massgeblich zum Misslingen bei und halten womöglich letztlich aufrecht, was wir primär aufzulösen versuchen.